Der folgende Text ist das Ergebnis der gemeinsamen Diskussionen auf dem Seminar. Thesenartig haben wir gemeinsam zusammengetragen, was wir als die Aufgaben der Friedensbewegung ansehen - zumindest für Aachen.
Präambel
Mit der zunehmenden Militarisierung der
Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland stellen wir bei großen
Teilen der Politik und Wirtschaft das Bestreben fest, Deutschland wieder
als militärische Großmacht zu etablieren.
Seit dem Ende des „Kalten Krieges“, dem
Zusammenbruch des „realsozialistischen Systems" und der Auflösung
des Warschauer Paktes hat ein Paradigmawechsel in den militärischen
Doktrinen der NATO, der BRD und der EU stattgefunden: Krieg ist wieder
zum Mittel der Politik geworden. Kriege werden außerhalb des NATO-Bereiches
zur Durchsetzung eigener ökonomischer, geostrategischer und sonstiger
Interessen auch von der Bundesrepublik Deutschland entgegen den Bestimmungen
des Grundgesetzes legitimiert, vorbereitet und geführt. Diese Entwicklung
fand ihren ersten Höhepunkt in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
gegen die Republik Jugoslawien im Jahr 1999.
Sowohl auf NATO - wie auch auf EU-Ebene
- werden schnelle Eingreiftruppen aufgebaut, die weltweit interventionsfähig
sein sollen. Auch diese Maßnahmen sind gemäß Artikel 24x
grundgesetzwidrig.
Wir setzen dieser Militarisierung von Politik und Gesellschaft unsere Positionen entgegen:
These 1: Wir werden die Zusammenarbeit
mit anderen Gruppen und Organisationen ausbauen und stärken sowie
neue Bündnisse schließen.
Verursacht durch die Entscheidungen der
Bundesregierung sich weltweit an immer neuen Kriegen zu beteiligen, wächst
ständig die Militarisierung unserer Gesellschaft. Die sich daraus
ergebenden vielfältigen Ziele und Aufgaben, können wir nur im
Verbund mit anderen Friedensinitiativen und -Organisationen bewältigen.
Durch ein großes Netzwerk der deutschen Friedensbewegung und interessierter Gruppierungen wird sichtbar werden, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die geplanten Beteiligungen deutscher Soldaten an weltweiten Kriegseinsätzen ist und so erhält sie gleichzeitig eine machtvolle Stimme.
Diese Zusammenarbeit wollen wir aber auch
durch die gezielte Ansprache gesellschaftlicher Gruppen erreichen. So werden
wir mit KünstlerInnen der Aachener freien Kulturszene aber auch mit
dem Stadttheater Aachen Kontakte aufnehmen, die Gewerkschaften und die
Studentenschaft der RWTH und ihre politischen Institute zu Gesprächen
einladen.
Die grenznahe Lage zu unseren belgischen,
holländischen und französischen Nachbarn werden wir nutzen, um
im benachbarten europäischen Raum für eine Erweiterung unseres
Netzwerkes zu werben. Dabei werden wir vor allem auch die Möglichkeiten
der ’neuen Medien’ nutzen.
Wir wollen uns mit Organisationen verbünden (wie z.B. den weltweit agierenden „attac-Gruppen“), für soziale Gerechtigkeit kämpfen und zu gewaltfreiem Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten der Globalisierung aufrufen. Dies gilt auch für Umweltorganisationen und Gruppierungen, die für den weltweiten Einsatz regenerativer Energien eintreten.
Wir wollen jene Gruppierungen verstärkt
unterstützen, die neue Freiräume für selbstbestimmte soziale,
kulturelle und politische Entfaltung entwickeln und schaffen wollen.
These 2: Wir wollen bestehende Aktionsformen
vermehrt einsetzen und uns neue Formen erarbeiten.
Aktionsformen sind nicht schon deshalb
automatisch schlecht, weil sie schon lange genutzt werden: aber es muss
immer wieder geprüft werden, ob sie (noch) sinnvoll sind oder ob sie
durch neue Aktionsformen ergänzt werden sollen.
Beibehalten werden wir weiterhin:
These 3: Wir werden die Analyse
der Kriegsursachen und die Entwicklung von Gegenstrategien nach innen und
außen vorantreiben.
Voraussetzung für unsere Aktionen
und Bündnisse ist die Erarbeitung und Vertiefung der Analyse der kapitalistischen
Verhältnisse, die Kriege hervorbringen. Dabei geht es um die Analyse
der gesellschaftlichen Entwicklungen sowohl in Deutschland und in Europa
als auch im Besonderen um internationale Entwicklungen, die oft mit
dem Stichwort Globalisierung umschrieben werden. Unverzichtbar gilt unser
Augenmerk den spezifischen deutschen und europäischen Interessen an
bestimmten regionalen und internationalen Konflikten.
Die Auseinandersetzung mit den Kriegsursachen, insbesondere die Analyse der wirtschaftlichen Zusammenhänge ist notwendig. Die Kapitalismuskritik darf nicht notwendige Voraussetzung im Sinne einer "Eintrittskarte" sein, um in der Friedensbewegung aktiv werden zu können. Vielmehr geht es um einen gemeinsamen Prozeß der Beteiligten im Rahmen von Gesprächskreisen, Seminaren und Veranstaltungen. In diesem Zusammenhang ist neben der gesellschaftspolitischen Analyse und Strategiebildung auch die individuelle und psychologische Seite von Kriegsursachen und Friedensstrategien zu untersuchen.
Wichtiger Teil unserer Strategie ist der Kampf um die Bedeutung des Begriffs „Frieden“. Wir müssen verhindern, daß über die Umdeutung von Worten („friedenssichernde Maßnahmen“ oder „robuste Friedenseinsätze“ = militärische Einsätze) kriegerische Handlungen gerechtfertigt werden und Krieg nicht mehr von Frieden unterscheidbar wird.
Uns ist bewußt, dass es zur Zeit
keine Massenbewegung gegen Krieg gibt. Das hält uns jedoch nicht davon
ab, sowohl auf der Ebene konkreter Aktionen als auch auf der Analyse und
Strategie-Ebene Angebote zu machen. Wir wollen mit dieser Vorarbeit
dazu beitragen, daß eine größere Bewegung entsteht. Weil
wir damit rechnen müssen, in näherer Zukunft nicht in einer Mehrheitsposition
zu sein, ist es um so wichtiger, uns in unserer Aufklärungsarbeit
besondere Mühe zu geben, d.h. uns argumentativ und rhetorisch intensiv
zu schulen.
Bei der Planung unserer Aktionen und Veranstaltungen,
sowie im Umgang miteinander wollen wir darauf achten, daß wir langfristig
in der Lage sind, weiterzumachen. Das bedeutet insbesondere, daß
wir uns und andere vor Überforderungen schützen und den „Spaßfaktor“
nicht vernachlässigen.
Langfristig ist es sinnvoll, friedenssichernde
Strategien auf allen Ebenen der Politik zu etablieren. Das bedeutet, die
Entwicklung verschiedener Formen der zivilen Konfliktbearbeitung, auch
in der internationalen Politik, zu fordern und fördern.
These 4: Wir werden die Friedenskultur
und Friedenspädagogik fördern und anwenden.
In der Förderung einer Kultur des
Friedens sehen wir einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen unsere
bisherige Friedenskulturarbeit (z.B. die Aachener Friedenstage mit Beiträgen
aus Musik, Literatur, bildender Kunst, Theater, Kabarett) fortsetzen und
nach unseren Möglichkeiten weiter ausbauen. Dabei werden wir die Kontakte
mit dem Siegener Zentrum für Friedenskultur nutzen und intensivieren.
Wir unterstützen die Aktivitäten
der UNESCO in der für dieses Jahrzehnt ausgerufenen „Dekade zur Förderung
einer Kultur des Friedens und zur Überwindung von Gewalt" und entwickeln
eigene Beiträge dazu.
Zentrale Bestandteile einer umfassenden
Kultur des Friedens sind alle Formen der präventiven Friedensarbeit
(Zivile Konfliktbearbeitung, Ausbildung und Einsatz von Friedensfachkräften.....,
(siehe
Anmerkung 1)) sowie im Bereich Bildung und Schule die Friedenspädagogik.
Wir werden die friedenspädagogische
Arbeit des „Netzwerks Aachener Schulen gegen Gewalt und Rassismus" unterstützen
und gemeinsame friedenspädagogische Projekte durchführen (wie
z.B. die Kampagne „Krieg ist kein Kinderspiel").
In diesem Zusammenhang streben wir an,
den Aachener Friedenslauf, den der Aachener Friedenspreis im vergangenen
Jahr gemeinsam mit Pax Christi Aachen, dem Netzwerk Aachener Schulen gegen
Rassismus und Gewalt sowie dem Forum Ziviler Friedensdienst veranstaltet
haben (jeweils am letzten Freitag vor den Sommerferien), zu einer festen
„Institution" auszubauen.
Darüber hinaus wollen wir die Arbeit
der „Pädagoginnen und Pädagogen" für den Frieden unterstützen
und dabei den Kontakt zum Friedenspreisträger des Jahres 2002, Bernhard
Nolz (er ist Bundessprecher dieser Initiative) nutzen.
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1)
siehe: Zivile Konfliktbearbeitung in der Staaten? und Gesellschaftswelt
- 14 Thesen. Vortrag von Prof. Andreas Buro auf dem Seminar des Aachener
Friedenspreis e. V. am 5. 9. 1998 und am 16. 1. 1999.
These 5: ZKB muss für
alle Konfliktphasen entwickelt werden – vorbeugend, also präventiv,
deeskalierend in gewaltsamen Konflikten und nachsorgend nach Beendigung
der Kämpfe. Tut man dies nicht und überlässt etwa den Deeskalationsbereich
dem militärischen Konfliktaustrag, so stellt man militärischer
Logik und militärischer Aufrüstung eine Dauerlegitimation aus,
und dass ZKB der militärischen Logik untergeordnet wird. Sie rangiert
dann am Anfang der Konflikt?Eskalationsleiter, an deren Ende selbstverständlich
als “letztes Mittel” ? und die Logik bestimmend ? das Militär steht.
These 5: Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
werden wir weiter intensivieren
Erstellung eines Jahreskalenders, der
auch im Internet steht und permanent aktualisiert wird. Veranstaltungen
wie der Friedenslauf, die Preisverleihung oder die Friedenstage sollen
fester Bestandteil des Jahreskalenders bleiben.
Unsere politische Bildungsarbeit wollen
wir fortsetzen und dabei verstärkt die Aachener Schulen einbinden.
So wollen wir auch zu oben erwähnten Veranstaltungen vermehrt einladen.
Weiterhin werden wir die Öffentlichkeit
regelmäßig informieren. Einerseits durch eigene Medien, wie
z.B. eine Internet-Zeitung und andererseits durch Info-Stände und
eine verstärkte Zusammenarbeit mit kritischen Medien.
Wir werden zudem eine bessere Vernetzung
anstreben, durch gute Internetpräsentationen. So soll es auf der Internetseite
von AFP und AKB „Links“ auf andere Friedensinitiativen und regionale (auch
grenzüberschreitend) Gruppen und Organisationen geben.
Unsere Informationsarbeit wollen wir außerdem
dadurch erweitern, dass wir militärische Einrichtungen in unserer
Region und ihre Verflechtung aufzeigen (auch grenzüberschreitend).
Es soll Aktionen geben, wie zum Beispiel „Waffeninspektionen“ (erster öffentlicher
Termin 18. 1. 03). In dieser Hinsicht wollen wir auch die Öffentlichkeitsarbeit
der Bundeswehr kritisch begleiten.
These 6: Die Zusammenarbeit
mit Politikern und Funktionären werden wir weiter diskutieren.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage,
in wieweit eine gezielte Zusammenarbeit mit der “offiziellen” Politik gesucht
werden soll. Es herrscht zwar Einigkeit darüber, dass sich unsere
Forderungen nach Frieden und der Nichtteilnahme an Kriegen auch an die
“offizielle Politik” richten soll, es gab jedoch gegensätzliche Einschätzungen
über den grundsätzlichen Charakter der herrschenden Politik:
Überspitzt formuliert ist die eine
Position der Überzeugung, dass PolitikerInnen - falls man sie denn
überzeugen könne - tatsächlich für den Frieden tätig
werden könnten. Die gegensätzlich Position ist der Überzeugung,
dass die herrschende Politik objektiven Zwängen des Kapitals unterworfen
ist, die dann, wenn es dessen Interessen erfordern, eben auch Kriege machen
müssen.
Wegen dieser gegensätzlichen Überzeugungen
wurde vereinbart, dass sich bei diesem Thema keine gemeinsamen Aktivitäten
entwickeln lassen, sondern dass jede Fraktion ihren eigenen Politikstil
entwickeln und realisieren muss.