Die Friedensbewegung in Deutschland
Analysen – Ziele – Strategien
gemeinsame Dokumentation vom Seminar am 16. / 17. November 2002
von Aachener Friedenspreise.V. und Anti-Kriegs-Bündnis-Aachen

Der folgende Text ist das Ergebnis der gemeinsamen Diskussionen auf dem Seminar. Thesenartig haben wir gemeinsam zusammengetragen, was wir als die Aufgaben der Friedensbewegung ansehen - zumindest für Aachen.

Präambel
Mit der zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland stellen wir bei großen Teilen der Politik und Wirtschaft das Bestreben fest, Deutschland wieder als militärische Großmacht zu etablieren.
Seit dem Ende des „Kalten Krieges“, dem Zusammenbruch des „realsozialistischen Systems" und der Auflösung des Warschauer Paktes hat ein Paradigmawechsel in den militärischen Doktrinen der NATO, der BRD und der EU stattgefunden: Krieg ist wieder zum Mittel der Politik geworden. Kriege werden außerhalb des NATO-Bereiches zur Durchsetzung eigener ökonomischer, geostrategischer und sonstiger Interessen auch von der Bundesrepublik Deutschland entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes legitimiert, vorbereitet und geführt. Diese Entwicklung fand ihren ersten Höhepunkt in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Republik Jugoslawien im Jahr 1999.
Sowohl auf NATO - wie auch auf EU-Ebene - werden schnelle Eingreiftruppen aufgebaut, die weltweit interventionsfähig sein sollen. Auch diese Maßnahmen sind gemäß Artikel 24x grundgesetzwidrig.

Wir setzen dieser Militarisierung von Politik und Gesellschaft unsere Positionen entgegen:

==> Basis eines nachhaltigen, dauerhaften Friedens kann nur eine sozial gerechte, demokratische und ökologisch intakte Welt sein.
 

These 1: Wir werden die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Organisationen ausbauen und stärken sowie neue Bündnisse schließen.
Verursacht durch die Entscheidungen der Bundesregierung sich weltweit an immer neuen Kriegen zu beteiligen, wächst ständig die Militarisierung unserer Gesellschaft. Die sich daraus ergebenden vielfältigen Ziele und Aufgaben, können wir nur im Verbund mit anderen Friedensinitiativen und -Organisationen bewältigen.

Durch ein großes Netzwerk der deutschen Friedensbewegung und interessierter Gruppierungen wird sichtbar werden, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die geplanten Beteiligungen deutscher Soldaten an weltweiten Kriegseinsätzen ist und so erhält sie gleichzeitig eine machtvolle Stimme.

Diese Zusammenarbeit wollen wir aber auch durch die gezielte Ansprache gesellschaftlicher Gruppen erreichen. So werden wir mit KünstlerInnen der Aachener freien Kulturszene aber auch mit dem Stadttheater Aachen Kontakte aufnehmen, die Gewerkschaften und die Studentenschaft der RWTH und ihre politischen Institute zu Gesprächen einladen.
Die grenznahe Lage zu unseren belgischen, holländischen und französischen Nachbarn werden wir nutzen, um im benachbarten europäischen Raum für eine Erweiterung unseres Netzwerkes zu werben. Dabei werden wir vor allem auch die Möglichkeiten der  ’neuen Medien’ nutzen.

Wir wollen uns mit Organisationen verbünden (wie z.B. den weltweit agierenden „attac-Gruppen“), für soziale Gerechtigkeit kämpfen und zu gewaltfreiem Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten der Globalisierung aufrufen. Dies gilt auch für Umweltorganisationen und Gruppierungen, die für den weltweiten Einsatz regenerativer Energien eintreten.

Wir wollen jene Gruppierungen verstärkt unterstützen, die neue Freiräume für selbstbestimmte soziale, kulturelle und politische Entfaltung entwickeln und schaffen wollen.
 

These 2: Wir wollen bestehende Aktionsformen vermehrt einsetzen und uns neue Formen erarbeiten.
Aktionsformen sind nicht schon deshalb automatisch schlecht, weil sie schon lange genutzt werden: aber es muss immer wieder geprüft werden, ob sie (noch) sinnvoll sind oder ob sie durch neue Aktionsformen ergänzt werden sollen.
Beibehalten werden wir weiterhin:

Verbessern werden wir Erarbeiten werden wir uns neue Aktionsformen


These 3: Wir werden die Analyse der Kriegsursachen und die Entwicklung von Gegenstrategien nach innen und außen vorantreiben.
Voraussetzung für unsere Aktionen und Bündnisse ist die Erarbeitung und Vertiefung der Analyse der kapitalistischen Verhältnisse, die Kriege hervorbringen. Dabei geht es um die Analyse der gesellschaftlichen Entwicklungen sowohl in Deutschland und in Europa als auch im  Besonderen um internationale Entwicklungen, die oft mit dem Stichwort Globalisierung umschrieben werden. Unverzichtbar gilt unser Augenmerk den spezifischen deutschen und europäischen Interessen an bestimmten regionalen und internationalen Konflikten.

Die Auseinandersetzung mit den Kriegsursachen, insbesondere die Analyse der wirtschaftlichen Zusammenhänge ist notwendig. Die Kapitalismuskritik darf nicht notwendige Voraussetzung im Sinne einer "Eintrittskarte" sein, um in der Friedensbewegung aktiv werden zu können. Vielmehr geht es um einen gemeinsamen Prozeß der Beteiligten im Rahmen von Gesprächskreisen, Seminaren und Veranstaltungen. In diesem Zusammenhang ist neben der gesellschaftspolitischen Analyse und Strategiebildung auch die individuelle und psychologische Seite von Kriegsursachen und Friedensstrategien zu untersuchen.

Wichtiger Teil unserer Strategie ist der Kampf um die Bedeutung des Begriffs „Frieden“. Wir müssen verhindern, daß über die Umdeutung von Worten („friedenssichernde Maßnahmen“ oder „robuste Friedenseinsätze“ = militärische Einsätze) kriegerische Handlungen gerechtfertigt werden und Krieg nicht mehr von Frieden unterscheidbar wird.

Uns ist bewußt, dass es zur Zeit keine Massenbewegung gegen Krieg gibt. Das hält uns jedoch nicht davon ab, sowohl auf der Ebene konkreter Aktionen als auch auf der Analyse und Strategie-Ebene Angebote zu machen.  Wir wollen mit dieser Vorarbeit dazu beitragen, daß eine größere Bewegung entsteht. Weil wir damit rechnen müssen, in näherer Zukunft nicht in einer Mehrheitsposition zu sein, ist es um so wichtiger, uns in unserer Aufklärungsarbeit besondere Mühe zu geben, d.h. uns argumentativ und rhetorisch intensiv zu schulen.
Bei der Planung unserer Aktionen und Veranstaltungen, sowie im Umgang miteinander wollen wir darauf achten, daß wir langfristig in der Lage sind, weiterzumachen. Das bedeutet insbesondere, daß wir uns und andere vor Überforderungen schützen und den „Spaßfaktor“ nicht vernachlässigen.

Langfristig ist es sinnvoll, friedenssichernde Strategien auf allen Ebenen der Politik zu etablieren. Das bedeutet, die Entwicklung verschiedener Formen der zivilen Konfliktbearbeitung, auch in der internationalen Politik, zu fordern und fördern.
 

These 4: Wir werden die Friedenskultur und Friedenspädagogik fördern und anwenden.
In der Förderung einer Kultur des Friedens sehen wir einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen unsere bisherige Friedenskulturarbeit (z.B. die Aachener Friedenstage mit Beiträgen aus Musik, Literatur, bildender Kunst, Theater, Kabarett) fortsetzen und nach unseren Möglichkeiten weiter ausbauen. Dabei werden wir die Kontakte mit dem Siegener Zentrum für Friedenskultur nutzen und intensivieren.
Wir unterstützen die Aktivitäten der UNESCO in der für dieses Jahrzehnt ausgerufenen „Dekade zur Förderung einer Kultur des Friedens und zur Überwindung von Gewalt" und entwickeln eigene Beiträge dazu.
Zentrale Bestandteile einer umfassenden Kultur des Friedens sind alle Formen der präventiven Friedensarbeit (Zivile Konfliktbearbeitung, Ausbildung und Einsatz von Friedensfachkräften....., (siehe Anmerkung 1))  sowie im Bereich Bildung und Schule die Friedenspädagogik.
Wir werden die friedenspädagogische Arbeit des „Netzwerks Aachener Schulen gegen Gewalt und Rassismus" unterstützen und gemeinsame friedenspädagogische Projekte durchführen (wie z.B. die Kampagne „Krieg ist kein Kinderspiel").
In diesem Zusammenhang streben wir an, den Aachener Friedenslauf, den der Aachener Friedenspreis im vergangenen Jahr gemeinsam mit Pax Christi Aachen, dem Netzwerk Aachener Schulen gegen Rassismus und Gewalt sowie dem Forum Ziviler Friedensdienst veranstaltet haben (jeweils am letzten Freitag vor den Sommerferien), zu einer festen „Institution" auszubauen.
Darüber hinaus wollen wir die Arbeit der „Pädagoginnen und Pädagogen" für den Frieden unterstützen und dabei den Kontakt zum Friedenspreisträger des Jahres 2002, Bernhard Nolz (er ist Bundessprecher dieser Initiative) nutzen.
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1)        siehe: Zivile Konfliktbearbeitung in der Staaten? und Gesellschaftswelt - 14 Thesen. Vortrag von Prof. Andreas Buro auf dem Seminar des Aachener Friedenspreis e. V. am 5. 9. 1998 und am 16. 1. 1999.
These 5: ZKB muss für alle Konfliktphasen entwickelt werden – vorbeugend, also präventiv, deeskalierend in gewaltsamen Konflikten und nachsorgend nach Beendigung der Kämpfe. Tut man dies nicht und überlässt etwa den Deeskalationsbereich dem militärischen Konfliktaustrag, so stellt man militärischer Logik und militärischer Aufrüstung eine Dauerlegitimation aus, und dass ZKB der militärischen Logik untergeordnet wird. Sie rangiert dann am Anfang der Konflikt?Eskalationsleiter, an deren Ende selbstverständlich als “letztes Mittel” ? und die Logik bestimmend ? das Militär steht.
 

These 5: Informations- und Öffentlichkeitsarbeit werden wir weiter intensivieren
Erstellung eines Jahreskalenders, der auch im Internet steht und permanent aktualisiert wird. Veranstaltungen wie der Friedenslauf, die Preisverleihung oder die Friedenstage sollen fester Bestandteil des Jahreskalenders bleiben.
Unsere politische Bildungsarbeit wollen wir fortsetzen und dabei verstärkt die Aachener Schulen einbinden. So wollen wir auch zu oben erwähnten Veranstaltungen vermehrt einladen.
Weiterhin werden wir die Öffentlichkeit regelmäßig informieren. Einerseits durch eigene Medien, wie z.B. eine Internet-Zeitung und andererseits durch Info-Stände und eine verstärkte Zusammenarbeit mit kritischen Medien.
Wir werden zudem eine bessere Vernetzung anstreben, durch gute Internetpräsentationen. So soll es auf der Internetseite von AFP und AKB „Links“ auf andere Friedensinitiativen und regionale (auch grenzüberschreitend) Gruppen und Organisationen geben.
Unsere Informationsarbeit wollen wir außerdem dadurch erweitern, dass wir militärische Einrichtungen in unserer Region und ihre Verflechtung aufzeigen (auch grenzüberschreitend). Es soll Aktionen geben, wie zum Beispiel „Waffeninspektionen“ (erster öffentlicher Termin 18. 1. 03). In dieser Hinsicht wollen wir auch die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr kritisch begleiten.
 

These  6: Die Zusammenarbeit mit Politikern und Funktionären werden wir weiter diskutieren.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, in wieweit eine gezielte Zusammenarbeit mit der “offiziellen” Politik gesucht werden soll. Es herrscht zwar Einigkeit darüber, dass sich unsere Forderungen nach Frieden und der Nichtteilnahme an Kriegen auch an die “offizielle Politik” richten soll, es gab jedoch gegensätzliche Einschätzungen über den grundsätzlichen Charakter der herrschenden Politik:
Überspitzt formuliert ist die eine Position der Überzeugung, dass PolitikerInnen - falls man sie denn überzeugen könne - tatsächlich für den Frieden tätig werden könnten. Die gegensätzlich Position ist der Überzeugung, dass die herrschende Politik objektiven Zwängen des Kapitals unterworfen ist, die dann, wenn es dessen Interessen erfordern, eben auch Kriege machen müssen.
Wegen dieser gegensätzlichen Überzeugungen wurde vereinbart, dass sich bei diesem Thema keine gemeinsamen Aktivitäten entwickeln lassen, sondern dass jede Fraktion ihren eigenen Politikstil entwickeln und realisieren muss.

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http://www.akb-ac -  02.02.2003