Ausstellung " Aufstand des Gewissens "
- das Image der Wehrmacht soll wieder aufpoliert werden!

In den letzten Jahren sorgte die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht", für Aufsehen: Nazis und Konservative mobilisierten Aufmärsche gegen diese Ausstellung, weil sie die "Ehre des deutschen Soldaten" besudelt sahen. Der Grund ist einfach: Auch wenn die Darstellung der weitgehend ungebrochenen Verbindungen zwischen Wehrmacht und Bundeswehr in der Ausstellung peinlichst vermieden wurde, so räumt sie jedoch mit dem Mythos der sauber und ehrenhaft kämpfenden Truppe auf der einen und den bösen nationalsozialistischen Machthabern auf der anderen Seite auf. Sie dokumentiert, daß die Wehrmacht aus eigenen Antrieb (und nicht erst auf Befehl der Nazis) die schlimmsten Kriegsverbrechen verübten.
Dieser Mythos ist jedoch für das Selbstverständnis der BRD und insbesondere der Bundeswehr zentral. Dreh- und Angelpunkt dafür ist das Hitler-Attentat führender Wehrmachtsoffiziere um die Symbolfigur Stauffenberg vom 20. Juli 1944.
Angesichts der neuen Rolle der Bundeswehr wieder weltweit Kriege zu führen, wird dieser Mythos erneut bemüht. Aus diesem Grund wurde die pro-Wehrmachts-Ausstellung "Aufstand des Gewissens" von 1984 vor drei Jahren neu überarbeitet und letztes Jahr in der Frankfurter Paulskirche wiedereröffnet.

- Vom 8. bis zum 20. Oktober 1999 ist sie im Alten Kurhaus in Aachen zu sehen. -

Wehrmacht und Faschismus – „Der selbe geistige Stamm“

Das Bild, das dabei transportiert wird und sich in den meisten Köpfen festgesetzt hat, ist, daß der Widerstand gegen Hitler im wesentlichen von der Wehrmachtsführung ausging. Nichts könnte die Realität mehr entstellen.
Hitler selbst hat das öffentlich noch anerkannt, als er es gar nicht mehr nötig hatte: "Wir wissen alle genau, wenn das Heer nicht in den Tagen der Revolution auf unserer Seite gestanden hätte, dann ständen wir heute nicht hier"1.
General von Blomberg als neuer Reichswehrminister verkündete 1933 vor den versammelten Befehlshabern die endgültige Abkehr von der Weimarer Republik, der sie alle die Treue geschworen hatten. In der Republik habe man sich unpolitisch verhalten müssen. (Das „Unpolitischsein“ war schon damals ein Feigenblatt für rechte Einstellungen.) Aber das "Unpolitischsein hatte ja nie die Bedeutung, daß wir mit dem System der früheren Regierung einverstanden waren: Es war vielmehr ein Mittel, uns vor zu enger Verstrickung in dieses System zu bewahren...Jetzt ist das Unpolitischsein vorbei und es bleibt nur eins: der nationalsozialistischen Bewegung mit voller Hingabe zu dienen"2.
Alle Zeugnisse deuten darauf hin, daß dies die Stimmung der Reichswehr war. Auch die Männer des 20. Juli machte keine Ausnahme - im Gegenteil: Oberst Beck, der in den Aachener Nachrichten vom 15. September 99 wohlwollend zitiert wird, hatte schon 1930 einen NS-Wahlsieg in Thüringen gefeiert und sich so unverblümt geäußert, daß er verabschiedet werden sollte3. Auch Leutnant Claus Graf von Stauffenberg feierte 1933 öffentlich an der Spitze eines Demonstrationszuges in Bamberg den Machtantritt der Nazis4.
Das ergab sich nicht zufällig. Zwischen Wehrmacht und Faschismus bestand in den politischen Auffassungen und Zielen zwar keine Identität, aber doch einen enge Verwandtschaft. Nach Feldmarshall von Brauchitsch war es "selbstverständlich, daß die Gedankengänge des Nationalsozialismus von Anfang an bei keiner Gemeinschaft mehr Bejahung fanden als beim Offizierskorps...Wehrmacht und Nationalsozialismus sind des selben geistigen Stammes5."
Beide bekämpften die bürgerliche Demokratie und die Arbeiterbewegung. Beide idealisierten die militärische Ideologie und waren für eine starke Staatsmacht und Armee, sowie für die Gewinnung von "Lebensraum" im Osten, um die wirtschaftlichen Interessen des deutschen Kapitalismus durchzusetzen.. Hitler vertraute der Reichswehr auch vollkommen. Nur wenige Tage nach dem Machtantritt entwickelte Hitler den Generälen sein Programm in aller Offenheit. Eine endgültige Lösung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise sei nur durch die "Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung" möglich. Voraussetzung dafür sei "straffste autoritäre Staatsführung, Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie,...Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel6."
Die Generäle wußten also was kam. Sie billigten es nicht nur, sondern unterstützten es mit aller Kraft. Alle, aber auch alle brachen ihren Schwur auf die Weimarer Verfassung - inklusive der Männer des 20. Juli. Entlassungen, um die Wehrmacht gleichzuschalten, waren nicht notwendig.
Als in den ersten Wochen nach Hitlers Machtantritt schon zehntausende Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten verhaftet, Dutzende ermordet wurden; als die Folterkeller ein öffentliches Geheimnis waren und die ersten KZ eingerichtet wurden, da regte sich kein Offiziersgewissen - im Gegenteil: Die Wehrmacht stand Gewehr bei Fuß. Ihr Gewissen erwies sich hier und im Kriege als sehr strapazierfähig. Die Bindung an einen Eid, ob nun auf eine Verfassung oder einen „Führer“ ist ihnen eine Sache der politischen Zweckmäßigkeit und nicht des Gewissens.

Retten was zu retten ist – der 20.Juli

Der Bruch zwischen den Offizieren des 20.Juli und der Naziführung vollzog sich an ganz anderen Fragen. Sie betrachteten Hitler trotz geistiger Verwandtschaft als einen Emporkömmling, politischen Abenteurer und militärischen Amateur. Es ist richtig, daß der Generalstabschef Ludwig Beck 1938 vor dem Krieg gewarnt hat. Aufschlußreich ist jedoch seine Begründung:
„Wenn man die Augen und Ohren offen hält, wenn man sich durch falsche Zahlen nicht selbst betrügt, wenn man nicht im Rausch einer Ideologie lebt, dann kann man nur zu der Erkenntnis kommen, daß wir zurzeit wehrpolitisch (Führung, Ausbildung und Ausrüstung), wirtschaftspolitisch und stimmungspolitisch für einen Krieg nicht gerüstet sind7.“ (Hervorhebung Beck).
Zurzeit! Das Ziel des Krieges prinzipiell begrüßend, kritisiert Beck lediglich die militärische Aussichtslosigkeit 1938, eine rein taktische Kritik. Sein Aufruf an die anderen Generale gegen Hitler zu putschen blieb ungehört. Pikanterweise beriefen sich die Generale auf ihren Führer-Eid, um einen Putsch gegen Hitler abzulehnen, nachdem sie fünf Jahre zuvor den Eid auf die Weimarer Verfassung gebrochen hatten. Wie ernst Hitler solche Art des „Widerstands“ genommen hat, zeigt die Tatsache, daß Beck zum Generalobersten ernannt und in den Ruhestand versetzt wurde, während ansonsten jede noch so zaghafte Opposition direkt in die Folterkammern oder KZ wanderte.
Die in den ersten Monaten 1939 stattfindenden Staatsstreichdiskussionen unter führenden Wehrmachtsoffizieren befürchteten alle eine drohende Niederlage in einem Krieg. Dies änderte sich schlagartig nach dem militärischen Erfolg Deutschlands in Frankreich 1940. So schrieb der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Freiherr Alfred von Weizsäcker (der Vater des Bundespräsidenten a.D. Richard von Weizsäcker):
„Auch diejenigen Generale, die vor dem 10. Mai 1940 einer Offensive gegen Westen abgeneigt waren, sind jetzt von ihrer Zweckmäßigkeit überzeugt, sprechen abfällig über den Gegner und wollen nicht mehr gern an ihre früheren Urteile erinnert werden8.“
Das Gewissen blieb im Falle des militärischen Erfolgs erstaunlich ruhig. Auch beim anschließenden Überfall auf die Sowjetunion sollte sich das zunächst nicht ändern. Erst als sich Ende 1942 die deutsche Niederlage bei Stalingrad (im ursprünglichen Ausstellungsführer als „Katastrophe“ bezeichnet) abzeichnete und allmählich klar wurde, das Deutschland den Krieg verlieren würde, regte sich das Gewissen wieder und Putschpläne wurden geschmiedet.
Die ganze Unaufrichtigkeit und Charakterlosigkeit der Verschwörer des 20. Juli zeigt das Attentat selbst. Obwohl er persönlich völlig ungeeignet war, mußte Stauffenberg die Bombe selbst legen. Es fand sich kein anderer. Aufgrund von Kriegsverletzungen – ihm fehlten unter anderem einige Finger – hatte er Mühe den Bombenzünder einzustellen. Aus Zeitmangel konnte er im entscheidenden Augenblick vor der Tat auch nur eine statt der beiden Bomben schärfen. Die Gruppe des 20. Juli wagte nicht einmal, offen ihre Ziele zu verkünden. In ihrem Aufruf schoben sie das Attentat einer „gewissenlosen Clique frontfremder Parteiführer“ in die Schuhe. Zu Recht hielt Churchill nichts von dieser ‚Widerstandsbewegung‘, „die weder den Willen zum Handeln noch den Mut zum offenen Hervortreten gezeigt habe9.“

Die antidemokratischen Ziele des 20. Juli

Aufschlußreich sind auch die politischen Vorstellungen des 20. Juli für die Nach-Hitler-Zeit. Das Programm blieb bis zuletzt reaktionär und antidemokratisch. Der Verfassungsentwurf von Ulrich von Hassel aus dem Jahre 1940, der die Zustimmung der entscheidenden Oppositionellen fand, sah schlicht eine Militärdiktatur vor. Von freien Gewerkschaften, Demokratie oder bürgerlichen Rechten war überhaupt nicht die Rede. Popitz ging noch weiter und wollte soziale Unterstützung nur denen geben, „die ihre Pflichten für Volk und Staat erfüllen". Wissenschaft, Lehre und Kunst seien so weit zu beschränken, „als es die Sicherheit nach außen und innen und die gebotene Ehrfurcht vor den geistigen und sittlichen Gütern des Volkes erfordern". In manchen späteren Entwürfen waren zwar Wahlen vorgesehen, nicht aber gleiches Wahlrecht. Familienväter sollten zwei Stimmen besitzen und familiäre Fruchtbarkeit mit weiteren Stimmen für zusätzliche Kinder belohnt werden - abzugeben natürlich von den zeugungsfreudigen Vätern und nicht etwa den Müttern10.
Eines der zentralen Dokumente dieses ‚Widerstandes‘ wurde Anfang 1943 - zu einer Zeit, als der Holocaust bereits in vollem Gange war - auf Initiative Dietrich Bonhoeffers und mit Wissen Goerdelers vom „Freiburger Kreis“ erstellt. Die Denkschrift enthält einen Anhang mit dem Titel „Vorschläge für eine Lösung der Judenfrage in Deutschland“. Darin wird behauptet, auch ein nachnationalsozialistischer Staat sei berechtigt, Schritte zu unternehmen, „um den unheilvollen Einfluß einer Rasse auf die Volksgemeinschaft zu wehren“11.
Dies sind die Vorstellungen der Männer, in deren Tradition die Bundeswehr offiziell gesehen werden möchte.

Ermordet und Ausgelöscht - der Widerstand von unten

Glaubt man dem offiziellen staatlichen Geschichtsbild, für das diese Ausstellung beispielhaft ist, entsteht der Eindruck, als ob der Widerstand gegen das Dritte Reich im Wesentlichen von den Gruppen des 20.Juli getragen wurde. Am Rande wird noch die Weiße Rose erwähnt. Weitgehend totgeschwiegen werden der Widerstand von unten, Gruppen wie die Rote Kapelle, der jüdische Widerstand oder Individuen wie Georg Elser, der alleine am 8.November 1939 einen Sprengstoffanschlag auf Hitler mit weit mehr Einsatz und Konsequenz ausführte, als alle Offiziere des 20. Juli.
1933 standen praktisch alle staatstragenden Kräfte, Großindustrie, Wehrmacht, Polizei, Justiz, Beamtenbund, Kirche, Kleinbürgertum und Studentenschaften auf Seiten Hitlers. Widerstand kam zu dieser Zeit praktisch nur aus der einfachen Bevölkerung. Bei den letzten schon längst nicht mehr freien Betriebsratswahlen im April 1933 erhielten die faschistischen Kandidaten nur 11.7% der Stimmen. Ein Jahr später, als jede offene Opposition schon unmöglich geworden war, erhielten die NS-Listen nur 25%.
Die organisierte Widerstandsbewegung war, sieht man von einigen christlichen Gruppen ab, die im Widerspruch zur offiziellen Kirche standen, überwiegend kommunistisch und sozialistisch. Der 20.Juli war eine Randerscheinung12. Rund drei Millionen Deutsche waren zu irgendeiner Zeit aus politischen Gründen in Haft, davon 800.000 wegen aktiver Widerstandstätigkeit. Im Zusammenhang mit dem 20.Juli sind 700 Personen verhaftet worden. Noch in jedem der drei Monate vorher wurden zwei- bis dreimal so viele Kommunisten verhaftet, wie insgesamt die Opfer des 20. Juli ausmachen.
Obwohl der 20.Juli den Zielen des Nationalsozialismus nicht sehr fern stand, kennt jeder den Namen Stauffenberg als Hitler-Attentäter. Wer aber kennt Georg Elser? Kein Denkmal erinnert an ihn. Statt dessen wird seit Jahren die Erinnerung an den Widerstand von unten gegen das dritte Reich systematisch ausgelöscht. Schulen, Straßen, Jugendherbergen, die den Namen antifaschistischer Widerstandskämpfer trugen wurden umbenannt, so die Liselotte -Herrmann-Hochschule in Guestrow, die Grete -Walter-Jugendherberge in Stralsund oder das Heinz-Kapelle-Ufer in Berlin.
Nicht besser erging es den Wehrmachtsdeserteuren. Mindestens 20.000 wurden durch deutsche Kriegsgerichte verurteilt und hingerichtet. Deserteure, die sich einer drohenden Hinrichtung zur Wehr setzten und fliehen konnten wurden nach ihrer Rückkehr in der BRD verurteilt. Bis heute werden hingerichtete Deserteure nicht eindeutig als Opfer des NS-Regimes betrachtet.
Dies ist kein Wunder: Mit dem völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieg Deutschlands auf Jugoslawien wurde eine neue Etappe weltweiter Kriegseinsätze eingeleitet. Wer sich einem solchen Verbrechen als Soldat entziehen will wird nach wie vor hart bestraft. Auch diejenigen, die während des Krieges zur Desertion aufriefen sehen sich anhaltender Strafverfolgung ausgesetzt.

Wir protestieren dagegen, dass sich die Bundeswehr unter dem Deckmantel des Antifaschismus
und mit dem Image des Widerstands weltweit an Kriegseinsätzen beteiligt!
Bundeswehr raus aus dem Kosovo und Ost-Timor!

Aachener Antikriegsbündnis

Veranstaltungen:
Zum 60. Jahrestag des Anschlags von Georg Elser auf Hitler wollen wir die Filme „Georg Elser – Einer aus Deutschland“ und „Der Attentäter“ zeigen.

Das Aachener Antikriegsbündnis trifft sich jeden ersten und dritten Montag im Monat im „Agora“ (Mozartstr., Ecke Reumontstr.).

Anmerkungen:
1  Manfred Messerschmidt: Die Wehrmacht im NS-Staat. Zeit der Indokrination, Hamburg 1969, S.21
2  Wolfgang Sauer: die Mobilmachung der Gewalt, in: Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Sauer/Gerhard Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung, Köln und Opladen 1960, S.730
3  Sauer:...Gewalt, S.737
4  Carsten: Reichswehr..., S.449f
Dieses Ereignis wird von anderen Autoren bestritten. Entscheidend ist aber nicht, ob die Zustimmung zum NS-Regime derart demonstrativ ausgedrückt wurde, sondern daß sie ganz unumstritten ist.
5  zitiert nach Messerschmidt: Die Wehrmacht..., S.224
6  Sauer:...Gewalt, S.719
7  Ausstellungskatalog, S.68
8  Ausstellungskatalog, S.94
9  Peter Hoffmann: Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, München 1970, S.141
10  Zitiert nach Hans-Jürgen Schulz, Militarismus und Kapitalismus in der Bundesrepublik, Frankfurt 1977, S. 93
11  Zitiert nach Daniel J. Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker, Berlin 1996, S.146
12  In Aachen haben seit 1997 einige Dutzend Bürgerinnen und Bürger „Wege gegen das Vergessen“ ausgearbeitet. Sie fanden aus der Zeit des Hitlerfaschismus überall Spuren von Widerstand und Verfolgung, doch im Militär war Widerstand nicht zu entdecken.

10/1999                                                      Auflage: 800

zurück zu Liste unserer Fluglätter
zurück zum AKB-Startmenue


http://www.akb-ac -  31.12.2002