Kriegserklärung gegen das Grundgesetz?

(Nach GG Art.5 geschützte freie Meinung von K-P.Schleisiek)

Am Freitag, 16. November (2001) hat sich Bundeskanzler Schröder mal so richtig durchgesetzt. Wirklich: ein starker Mann!
Er hat das Parlament so in den Schwitzkasten geklemmt, daß danach viele Abgeordnete zugeben mußten, daß sie nicht so abgestimmt haben, wie sie eigentlich wollten.
Die staatliche Gewaltenteilung - das ist eine Säule unserer Demokratie - war ganz offensichtlich vom starken Kanzler ausgehebelt.
Aber mal juristisch gefragt: Ist das eigentlich legal, die Bundeswehr in den Kriegseinsatz zu schicken,
- nicht zur Landesverteidigung und
- nicht im UNO-Auftrag?

Das Völkerrecht, niedergelegt in der Charta der Vereinten Nationen, sagt in
Artikel 2, Satz 4:
"Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.(...)"
Das internationale Völkerrecht steht zweifellos dem nun beschlossenen Bundeswehr-Einsatz entgegen. Diese Ansicht teile ich mit vielen anderen.
Aber ist auch das deutsche Recht davon betroffen?
Und ob! Im Grundgesetz steht dazu:

Artikel  25:
"Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes."
Zusätzlich bestimmt

"Artikel  26
(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."
Wenn es sich nicht um Verteidigung handelt oder eine Aktion, die von der UNO erlaubt ist, dann ist es ein Angriffskrieg, in den die Bundeswehr geschickt wird. Auch das, was die USA in Afghanistan treiben, ist ein illegaler Angriffskrieg. Das hat der renommierte amerikanische Völkerrechtler Francis Boyle in einem SPIEGEL-Interview klargestellt. Auch ließ er keinen Zweifel daran, daß die NATO, und damit auch Deutschland, kein Recht hatte, Jugoslawien zu bombardieren.
Demnach haben diese Bundesregierung und der jetzige Bundestag nun schon zum 2. Male das Grundgesetz gebrochen: vergangenen Freitag und 1999 im Einsatz gegen Jugoslawien!
In Deutschland ist aber Angriffskrieg strafbar, und nicht nur der Krieg selbst, sondern schon die Vorbereitung, und sogar nur die Aufforderung dazu! Die Reden im Parlament, die den Bundeswehr-Kriegseinsatz fordern, sind tatsächlich strafbar, nämlich nach

"§ 80 (Vorbereitung eines Angriffskrieges)
Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft."
und

"§ 80 a (Aufstacheln zum Angriffskrieg)
Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zum Angriffskrieg (§ 80) aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
Also ist eine Strafanzeige fällig! Und diese Strafanzeige gegen die Verantwortlichen ist auch schon gestellt worden. Am vorigen Mittwoch war sie groß abgedruckt in der Frankfurter Rundschau, mit sehr vielen Unterschriften, auch von einigen Aachenern.
Nun müßte die Staatsanwaltschaft ermitteln, wer genau wie beteiligt war, und Anklage erheben. Aber — jetzt kommt das Justizproblem — sie wird sich darum drücken. Ich fürchte das, weil wir den gleichen Fall vor 2 Jahren schon mal hatten: Da hat die PDS wegen der Beteiligung am Jugoslawien-Krieg Anzeige erstattet. Das kaum jemand bekannte Ergebnis war: Es gab kein Verfahren, denn Anklage wurde nicht erhoben.

Begründung: Die Bundestags-Mehrheit für den deutschen Militäreinsatz sei so überwältigend gewesen, daß sie zu der vorher vielleicht benötigten Verfassungsänderung locker gereicht hätte.
Das muß man sich mal vorstellen: Regierung und Gesetzgeber brechen gemeinsam das Grundgesetz, und die Justiz, die doch unabhängig sein muß, erklärt das zur bedeutungslosen Bagatelle! Die Sicherung ist durchgebrannt — keine Spur mehr von der für die Demokratie unbedingt notwendigen Kontrolle und Gewaltenteilung zwischen Regierung, Gesetzgeber und Justiz!
Meiner Meinung nach kümmern sich die Medien immer noch viel zu wenig um die Gefahr für unsere Demokratie — das ist ein Thema für die 1. Seite!
Zusammen mit dem Frieden geht auch die Demokratie verloren — wer soll jetzt noch das Grundgesetz verteidigen?
Wie bewundernswert klug das Grundgesetz gemacht ist können wir auch daran sehen, daß es sogar für diese verzweifelte Lage vorgesorgt hat.

Im Artikel 20 steht nämlich:
"(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."
zur Erinnerung, wie die Gewalten geteilt sein sollen,
und weiter:
"(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."
Unter „Widerstand“ verstehe ich natürlich keine Gewalt, sondern zivilen Ungehorsam, wie Mahatma Ghandi ihn gelehrt und praktiziert hat. Und im Gesetz steht „alle Deutschen“, also nicht jeder für sich, sondern alle gemeinsam. Und jetzt mal besser nicht unter der Vorherrschaft der Parteien.
Diese letzte Vorkehrung, und die Mahnung zur Verteidigung der Demokratie, möchte ich auch besonders denen nahe bringen, die mit ihrem Diensteid geschworen haben, das Grundgesetz schützen zu wollen.
Ganz besonders unsere Staatsdiener sind gemeint, auch die Damen und Herren von der Polizei hier! Ich weiß: Sie stehen in ihrem Beruf besonders unter Druck, daß Sie nicht ausgerechnet Zivilcourage zeigen.
Ich fasse kurz zusammen:

Bitte überlegen Sie alle, wie Sie Grundgesetz und Demokratie verteidigen können - Und sagen Sie Ihre Vorschläge weiter!

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http://www.akb-ac -  25.11.2001