Der Bush-Schröder-Gipfel in Berlin
ist Anlass für eine der größten Demonstrationen der vergangenen
Jahre. Nach Schätzung der Veranstaltung waren gestern mehr als 100.000
DemonstrantInnen unterwegs. Zu Recht: Solche Gipfel werden nicht einfach
so abgehalten, es geht um die Vorbereitung neuer Kriege, die Kriegsherren
treffen sich. Viele der DemonstrantInnen treibt die Sorge vor der neuen
Kriegspolitik, für die der Name Bush steht. Dass die militaristischen
Hardliner Schröder, Fischer und Scharping ebenso wie Bush für
die Ramboisierung der Weltpolitik stehen, (wenn auch mit eigener Propaganda
und eigener Strategie) wurde zumindest in den Reden und Aufrufen der Anti-Bush-Demonstranten
nicht berücksichtigt.
In gewisser Weise ist die deutsche Kriegspolitik
perfider und gefährlicher als die US-amerikanische.
Während die deutsche Regierung sowohl
im Jugoslawien- als auch im Afghanistankrieg zu den aggressivsten Kriegstreibern
gehörte, wird in der Öffentlichkeit ein Bild erzeugt, dies geschehe
nur widerstrebend, auf den Druck der USA. Dass dies ein billiger Propagandatrick
ist, zeigt folgendes Beispiel.
Afghanistankrieg - Ermächtigungsgesetz - 3900 Soldaten - Rumsfeld
Man muss sagen, dass die Bundesregierung den Einsatz deutscher Soldaten regelrecht aufgedrängt hat, um im geostrategischen Poker mit dabei sein zu können.
Insofern ist es unerträglich, wenn die Grünen und einzelne Sozialdemokraten, die noch vor einem halben Jahr für den weitreichendsten deutschen Militäreinsatz seit 1945 gestimmt haben, jetzt zu Anti-Bush-Demonstrationen aufrufen. Hier geht nicht um Antikriegspolitik, sondern um die bevorstehenden Bundestagswahlen sowie die Pflege eines antiamerikanischen Ressentiments an der Basis der Gesellschaft, das für deutsche Großmachtpolitik künftig durchaus nützlich sein kann.
Im Namen des Antikriegsbündnis erkläre ich mich mit denjenigen Demonstranten solidarisch, die gestern in Berlin diese Heuchelei nicht mehr ertragen konnten, die Veranstaltung gestürmt und damit deren Abbruch erzwungen haben.
Kritik der US-Kriegspolitik ist notwendig; sie verliert aber jede Glaubwürdigkeit, wenn sie zur deutschen Kriegspolitik schweigt.
Ohne jeden Zweifel ziehen die USA in den vergangenen 50 Jahren die größte Blutspur hinter sich her: Hiroshima und Nagasaki, Korea, Vietnam, Kambodscha, Chile, Nicaragua, Irak und nicht zuletzt die Rekrutierung und Bewaffnung des islamischen Fundamentalismus in Afghanistan sind nur einige Stichworte hierfür.
Ohne jeden Zweifel stellen jedoch die Verbrechen Deutschlands der vergangenen 100 Jahre alles in den Schatten, was danach kam: Zwei Weltkriege und die Shoah, die industrielle Vernichtung von sechs der sieben Millionen europäischen Juden. Wenn heute von neuer deutscher Normalität gesprochen wird, kann einem nur Angst und Bange werden.
Wer von den Verbrechen deutscher Jugoslawienpolitik nicht reden will, sollte besser zu den Verbrechen amerikanischer Irakpolitik schweigen.
Wer von der „demokratisch legitimierten Barbarei“ deutscher Flüchtlingspolitik nicht reden will, sollte besser zur demokratisch legitimierten Barbarei der Todesstrafe in den USA schweigen.
Wer von den Kriegstreibern Schröder, Fischer, Scharping nicht reden will, sollte besser zum Kriegstreiber Bush schweigen.
Wer von all dem nicht reden will, wer die deutsche Militärpolitik nur kritisiert, insofern sie sich den USA unterordnet, tritt nicht als KritikerIn, sondern als KonkurrentIn auf und findet sich auf der gleichen Linie wie die NPD.
Erinnern wir uns an die bedeutendste Antikriegsbewegung,
die es jemals in Deutschland gab, einer Antikriegsbewegung, die real einen
Weltkrieg beendet hat, nämlich den ersten. Erinnern wir uns an
den Leitspruch ihrer Köpfe Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg:
„Der Hauptfeind eines jeden Volkes
steht in seinem eigenen Land!
Der Hauptfeind des deutschen Volkes
steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei,
die deutsche Geheimdiplomatie. Diesen Feind im eigenen Lande gilt's für
das deutsche Volk zu bekämpfen, zu bekämpfen im politischen Kampf,
zusammenwirkend mit dem Proletariat der anderen Länder, dessen Kampf
gegen seine heimischen Imperialisten geht.“
Wem das alles zu radikal ist der sei schlicht an das Evangelium erinnert:
„Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst." (Matthäus 7,1 ff)
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