Die Unterschiede von rechter und linker Anti-Kriegsargumentation

Redebeitrag VVN-Bund der Antifaschisten Aachen auf der Demonstration anlässlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Berlin am 22.5.2002 (Kurt Heiler)

Der Besuch von Präsident Bush zieht eine große Anzahl sehr unterschiedlicher Gegner an. Wir gehören dazu, aber auch Leute, mit denen wir auf keinen Fall verwechselt werden wollen. Nichts ist unappetitlicher als mit Nazis in einen Topf geworfen zu werden.

Aber einige Haltungen zum Bush-Besuch geben der Totalitarismusthese in der speziellen Ausformung des "Antiamerikanismus von rechts und links" oberflächlich betrachtet neuen Schub. Von den Web- Sides der Nazis, in der Nationalzeitung und von den freien Kameradschaften wird mit Überschriften zu Protesten gegen Bush aufgerufen, die sich auch auf der Demo in Berlin und bei deren Vorbereitung wiederfinden. "Sterben für New York?" fragte die Nationalzeitung und ist jetzt besorgt um Kanzler Schröder "Kanzler oder Marionette?

In der Aufforderung der Nationalzeitung an die Bundesregierung, mehr Distanz zur Politik der US-Regierung zu gewinnen, steckt mehr als der Versuch der Anbiederung der Nazis an die Friedensbewegung.
Es ist mehr und trotzdem, wer das Kleingedruckte mitliest findet bestätigt, dass die Totalitarismusthese trotzdem falsch war, ist und bleibt.

Versuchen wir einen kurzen Überblick über die Haltung der äußersten Rechten in Deutschland zu den USA. Schon die NSDAP veranstaltete eine erhebliche Propaganda gegen die USA. Einerseits wurde der "Schmelztiegel USA" gegen das rasserein zu schaffende Deutschland gestellt. Zum anderen war der
Nazi-Antisemitismus immer auch ein außenpolitisches Werkzeug, weil die behauptete Vorherrschaft der Juden wesentlich durch deren Einfluss auf Entscheidungen der US Regierung, aber auch der britischen Regierung begründet wurde. Dieser Antisemitismus begegnet uns in der aktuellen Auseinandersetzung in Form der "Ostküste" der US, die die Welt beherrsche und verhindere, dass die Israelis ins Meer getrieben werden.

Zum zweiten wurde durch die Staatrechtslehre von Carl Schmitt als "naturgegeben" behauptet, Geopolitik müsse so gestaltet werden, dass jede Weltregion ein Kraftzentrum habe, das "seinen" Großraum beherrsche, dass jedenfalls aber der Eingriff "raumfremder" Mächte zu unterbleiben habe.

Also: Europa als Deutschlands natürlicher Großwirtschaftsraum und die USA haben sich dort rauszuhalten. Den USA wird zugestanden, ihren "Hinterhof", also Mittel- und Lateinamerika zu beherrschen, aber der Nahe Osten wird als "eigenes" Hinterland betrachtet. Die neueste Ausgabe der Zeitschrift "Wehrtechnik" vom Frühjahr 2002 spricht mittlerweile davon, dass Israel und alle Mittelmeerländer zu Europas, sprich Deutschlands" Hinterhof gehöre, wo es Aufgabe Europas sei, "für Ordnung zu sorgen". Der Bundeskanzler Schröder erdreistete sich, dafür auch schon mal die Entsendung deutscher Soldaten anzubieten, was nach weltweitem Kopfschütteln auf "demnächst" verschoben wurde. Die "Wehrtechnik" und Kanzler Schröder sind  nicht faschistisch, sondern einfach konservativ, möglicherweise reaktionär, was aber nur beweist, wie weit die Ideologie der Nazis Verbreitung gefunden hat.

Den USA wird von den Nazis vorgeworfen, sich mit der Sowjetunion gegen Deutschland verbunden zu haben, was nicht nur zur Teilung Deutschlands führte, sondern die Deutschen einer Umerziehung unterwarfen, um ihren "Nationalcharakter" zu schwächen. Wir sagen dagegen: Wenn der "Nationalcharakter" der Deutschen Auschwitz bedeutet, musste es eine Umerziehung geben und zu bedauern ist allenfalls, dass die Umerziehungsziele dem kalten Krieg geopfert wurden. Antifaschisten werden nie vergessen, dass die USA spät aber nicht zu spät Teil der Anti- Hitler Koalition wurden und zur Befreiung Deutschlands und Europas vom Faschismus beitrugen. (Bekanntlich trug die Sowjetunion die Hauptlast der Niederringung des Faschismus.)

Von diesen Grundpositionen der Nazis lässt sich ihre Herangehensweise an die Konflikte der letzten Jahre erklären. Hatten sie bis 1989 noch der Supermachttheorie angehangen, wonach die Sowjetunion und die USA Deutschland unterdrückten, konnte ihr Hass sich nach dem Verschwinden der UdSSR ganz auf die USA konzentrieren, die nunmehr als Hauptfeind Deutschlands behandelt wurden.

Der Krieg gegen den Irak wurde kritisiert unter dem Motto des Eingreifens einer raumfremden Macht. Erinnert wurde an die traditionelle Verbundenheit einiger arabischer Führer mit den faschistischen Führern, woraus dann eine Freundschaft der Völker zwischen Deutschland und Irak phantasiert wurde. Vor allem wurde der Anschein erweckt, Irak und Deutschland würden beide in ähnlicher Weise von den USA unterdrückt, woraus sich die Phantasie einer Waffenbrüderschaft nationalrevolutionärer Kämpfer ergab.

Im Kosovo-Krieg wurde die eingangs erwähnte Problematik der Unterscheidbarkeit von rechter und linker Antikriegsbegründung noch drängender. Es gelang Nazis, nicht nur auf den Demos mitzulaufen, sondern tatsächlich sogar Reden zu halten, bei denen es verdächtig lange dauerte, bis die Redner vom Podium geholt wurden.

Der angebliche Pazifismus der Nazis reichte aber nie sehr weit, denn grade zu der Zeit war die Auseinandersetzung um die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941-45" virulent. Bei den dauernden Demonstrationen der Nazis unter dem Motto "Ruhm und Ehre der Waffen.-SS"  und "Unsere Väter waren keine Verbrecher" wurde sehr schnell klar, dass die Kritik der Nazis an der Nato keine friedliebende war, denn sie bekannten sich offen zur bislang größten Verbrecherorganisation auf deutschem Boden , der faschistischen Wehrmacht.

Revanchisten und Nazis entdeckten dann ihr Herz für die Albaner, die sie als "Vertriebene" eingemeindeten. Ihre Hoffnung war, dass später einmal die Nato Flugzeuge für die angeblichen Rechte der deutschen Vertriebenen fliegen lassen würde. Üblicherweise wird diese Argumentation mit einer aggressiven Wendung gegen die verbunden, die auf ihrer Flucht die Grenzen Deutschlands erreichen. Das gilt auch im aktuellen Fall, in dem der Angriff von  reaktionären Menschen muslimischen Glaubens auf Israel und die USA teils offen gefeiert wird, gleichzeitig aber die Hetze gegen hier lebende Muslime beibehalten wird.

Überhaupt fanden nicht wenige Nazis mit Dauer der Kriege Gefallen an dem Gedanken, dass die Deutschen mit der Kriegsbeteiligung ein wenig aus der 50 jährigen Verweichlichung erwachen würden. Jugoslawien wurde als ein Zwangsgefängnis des Multikulturalismus dargestellt, dessen Zerschlagung nur der Auftakt für weitere Attacken auf alle Länder sein sollte, die multikulturell organisiert sind oder scheinen. Die Tschechei wird dabei öfter genannt. Sie ist mittlerweile offen Angriffsziel faschistischer und reaktionärer Kräfte.

Rechte Kreise versuchten schon damals, die grundsätzliche und grundsätzlich richtige Kritik an dem Überfall der Nato darauf zu verkürzen, hier gehe es zunächst um US-Amerikanische Interessen und die deutsche Regierung lasse sich vor den Karren der USA spannen. Konsequent unterblieben alle Hinweise auf die eigenen Interessen der jeweiligen Bundesregierung. Hier trafen sie sich mit konservativen Politikern aus CDU-CSU sowie Altkanzler Helmut Schmidt.

Ein Nazi-Mitdemonstrant würde also unter dem Motto "Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Bush" nicht weiter auffallen, er brauchte sich auch nicht unbedingt auf der falschen Veranstaltung zu fühlen, wenn den USA kapitalistisches, imperialistisches Gebaren vorgehalten würde, solange nur die Rede nicht drauf kommt, dass die BRD sich ebenso verhält, ebensolche Interessen hat und der Unterschied allenfalls in den noch mangelnden Möglichkeiten des deutschen Imperialismus liegt. Gern wird dieser Zusammenhang kaschiert, indem den materiellen Interessen des US-Imperialismus die angeblichen ideellen Werte deutscher Außenpolitik entgegengehalten werden.

Zusammenfassend:

Die Totalitarismusthese ist und  bleibt falsch. Der Eindruck von Gemeinsamkeit rechter und linker Anti-Kriegsargumentation entsteht einerseits durch Fahrlässigkeit in der linken Argumentation. Wir müssen das selbstkritisch sehen, sonst lernen wir nichts. Wer den deutschen Chauvinismus aus dem Auge verliert, wird in der Imperialismuskritik unglaubwürdig und öffnet Türen nach ganz rechts. Kritik an den USA, an Bush, an amerikanischer Kriegspolitik usw ist angebracht, aber ohne dass wir uns zu Bütteln sogenannter Deutscher Interessen machen, Es ist nicht unsere Aufgabe, der deutschen Regierung den Rücken für eigene nationale
Schweinereien freizuhalten. Es ist unsere Aufgabe, den Imperialismus insgesamt zu kritisieren und Solidarität mit seinen Opfern zu praktizieren. Das heißt vor allem auch, den Zugang von Flüchtlingen in dieses reiche Deutschland offenzuhalten, Abschiebungen zu verhindern und ein Zusammenleben auf der Grundlage gleicher Rechte zu fordern. Unsere Kritik an Krieg muss umfassend sein und die Beteiligung der deutschen Regierung in den Mittelpunkt stellen. Eine Kritik an amerikanischen Waffenlieferungen, die nicht in Rechnung stellt, dass die deutsche Rüstungsindustrie lieber heute als morgen an die Stelle der amerikanischen treten würde, ist vergeblich.
Eine Kritik an der Hegemonie der USA, die nicht sieht, dass Deutsche Regierungen ein ebensolches, wenn auch noch nicht so erfolgreiches Streben an den Tag legen, bleibt an der Oberfläche. Wir vergrößern nicht den Spielraum deutscher Politik in der globalen Auseinandersetzung mit den USA, Japan und China. Das tun andere, nicht zuletzt Nazis.

Dann und eigentlich nur dann- wenn also unsere >Kritik so grundsätzlich und so gegen die Kriegstreiber im eigenen Land gerichtet ist, werden wir eine so breite Kluft zu den Nazis entstehen lassen, dass auch dem Augenschein nach keine Gleichsetzung von Rechts- und Links mehr möglich ist.

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http://www.akb-ac -  25.11.2002