Militärstandorte in der Aachener Region

Redebeitrag KAKB-AC für die Kommission der Waffenkontrolleure (06.11.02)
Militärstandorte sind Lokalitäten besonderer Bedrohung. In den 70’er und 80’er Jahren hat die Friedensbewegung auf die besondere Bedeutung von Militärstandorten als Orte besonderer Bedrohung hingewiesen. Das gilt heute sicher immer noch. Allerdings: Wir sind unmittelbar nicht bedroht, Beweise realer Bedrohungen durch international operierende Terroristen gibt es nicht. Vielmehr haben sich die USA, die NATO, die EU und die Bundeswehr das „Recht“ zugestanden, jederzeit an jedem Ort der Welt militärisch eingreifen zu können. Mithin sind alle Militärstandorte in der BRD ein Ort besonderer Bedrohung – für den Rest der Welt!
Machen wir zusammen eine Begehung der Militärstandorte um und in Aachen und fragen wir, welche Bedrohung geht von uns aus?

Die Militärstandorte um und in Aachen:
Atomwaffen in Büchel, Nörvenich, Kleine Brogel (B)

 
Büchel  159 Autobahnkilometer von Aachen entfernt in der Südeifel
Nörvenich: 45 km von Aachen entfernt bei Düren und
Kleine Brogel: 80 km westlich von Aachen in Südlimburg
1988 begann ein Prozeß der Modernisierung der Atomwaffenlager der NATO, das sog. WS3-Lagersystem ("Weapons Storage and Security Systems, Atomwaffenlagerungs- u. Sicherheitssystem)" wurde aufgebaut. Hauptauftragnehmer in der BRD war übrigens Mannesman Düsseldorf. Diese neuen Lagerungssysteme ermöglichen es, daß die Nuklearwaffen in "Grüften", militärisch als "Unterflurmagazine" bezeichnet, eingebaut in den Fußboden der Flugzeugschutzbauten, gelagert werden. Die Waffen befinden sich also direkt beim Trägerflugzeug und nicht länger in jenen speziellen Bunkern, die in der Vergangenheit genutzt wurden.

Das Bauprogramm für diese Lagersysteme sah vor, daß insgesamt 208 Atomwaffengrüfte auf 13 verschiedenen NATO-Luftwaffenbasen gebaut werden sollten. Da jedes der Magazine in Friedenszeiten vermutlich nur eine Atomwaffe als Platzhalter enthält, besteht, wenn das Programm wie geplant 1998 abgeschlossen ist, eine moderne Lagerkapazität der NATO für 208 amerikanische Atomwaffen. Doch nicht jeder dieser Flugplätze muß als Platzhalter für einen Ernstfall Atomwaffen vorhalten.

Zu diesen Atomwaffenlagern mit unbekannter Gesamtkapazität und unbekannter aktueller Lagerhaltung gehört Büchel in der Südeifel mit 11 Lagerplätzen, ebenso wie Nörvenich bei Düren. In dem Fliegerhorst „Kleine Brogel“ wenige Kilometer von uns entfernt sind ebenfalls 11 Lagerplätze eingebaut.

US-Army in Ramstein & Spangdahlem

Spangdahlem: 150km von Aachen entfernt, bei Bitburg in der Südeifel:
Der größte atomare Lagerplatz für US-Atomwaffen, die nicht der NATO zugeordnet sind, liegt in Ramstein. 1999 beschlossen die USA, ihre gesamte in der BRD stationierte Luftwaffe inclusive aller Atomwaffenlager in Ramstein auszubauen und Spangdahlem in der Südeifel als Transportflugplatz und Reserveflugplatz für Ramstein zu erweitern.
Entgegen den Beteuerungen von rotgruen vor der Wahl, werden die Ausbaupläne für Ramstein und Spangdahlem zur Zeit realisiert. Ramstein und Spangdahlem werden, mit Duldung der Bundesregierung, ausgebaut zu einer „globalen logistischen Drehscheibe“ für die USA. Mehr noch: In Ramstein und Spangdahlem wird die NATO-Strategie für Nuklearwaffen realisiert, die einen atomaren Ersteinsatz ebenso einschließt wie einen atomaren Einsatz gegen Staaten, die selber gar nicht im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind. 1996 beschloß der Internationale Gerichtshof, daß die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen illegal ist – dennoch, so bleibt festzuhalten, dürfen hunderte von Atomwaffen auf dem Territorium der Bundesrepublik lagern.

Tornados in Nörvenich

Nörvenich: 45 km von Aachen entfernt bei Düren
Nörvenich wurde eben im Zusammenhang mit den Atomwaffengrüften bereits erwähnt. In Nörvenich sollen z.Z. keine Atomwaffen gelagert sein – sicher ist das nicht. Sicher hingegen ist die Aufgabe des in Nörvenich stationierten Jagdbombergeschwaders 31 mit seinem Jagdbomber Tornado. Der TORNADO wird im Allwetterflugbetrieb bei Tag und Nacht eingesetzt. Er bildet das Rückgrat der Luftwaffe und trägt entscheidend zur Lufthoheit der NATO im Kriegsfall bei. Die ECR-Variante des Tornados mit einem infrarotgestütztes Wärmebildgerät wurde im Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien eingesetzt.
1997 hat der Bundestag die Beschaffung von 180 Kampfflugzeugen Eurofighter beschlossen, mehrfach wurde dieser Beschluß von Rotgrün bekräftigt. Das Jagdbombergeschwader in Nörvenich wird von 2007-2009 an zu einem sog. „Multi-Role“-Eurofightergeschwader umgerüstet. Gegenüber dem Tornado werden mit dem Eurofighter Präzisionsfähigkeit, Allwetterfähigkeit, Abstandsfähigkeit, Durchsetzungs- und Überlebensfähigkeit und Waffenzuladungkapazitäten erhöht. Insbesondere ein schneller Rollenwechsel („Multi-Role EF“) machen den Eurofighter zu einer geeigneten Waffe für Kampfeinsätze mit wechselnden Anforderungen. Sie bilden das Rückgrat der Luftunterstützung der Einsatzkräfte von Bundeswehr, EU und NATO. Die ab 2007 in Nörvenich stationierten Eurofighter werden das Rückgrat der „Bundeswehr im Einsatz“ sein.

AWACS in Geilenkirchen-Teveren

Geilenkirchen-Teveren 25 km nördlich von Aachen
In Geilenkirchen sind die AWACS stationiert. Die Abkürzung Awacs steht für "Airborne Warning and Control System". Zur Überwachung und Vorwarnung wurden 17 Boeing 707-320 B in Geilenkirchen ausgerüstet. Hauptkennzeichen: das pilzförmige Radarauge. Das "Auge" kann eine Umdrehung in zehn Sekunden machen und gestattet damit in kürzester Zeit eine Luftraumüberwachung von 360 Grad. Bis zu 400 Flugzeuge - auch extrem tieffliegende Maschinen - können im Umkreis von 500 Kilometern erfasst werden.
Die AWACS sind eines der ganz wenigen Gemeinschaftsprojekte der NATO. Sie spielten bei den Luftangriffen der NATO auf Jugoslawien eine wichtige Rolle, bereits im Golfkrieg 1991 patrouillierten sie an der türkisch-irakischen Grenze. Während des Krieges gegen Afghanistan wurden sie in die USA verlegt und entlasteten damit US-amerikanische Aufklärungskapazitäten. Es ist undenkbar, daß die multinational besetzten und geführten AWACS-Maschinen bei einem neuen Krieg gegen den Irak unbeteiligt bleiben.

Rheindahlen (Mönchengladbach)

Rheindahlen bei Mönchengladbach, 61 km von hier entfernt.
In Rheindahlen ist stationiert das ACE Rapid Reaction Corps (ARRC). Damit betreten wir ein ganz anderes Feld militärstrategischer Planungen. Dieses „schnelle Einsatzkorps“ der NATO ist das einzige, das die NATO überhaupt unterhält. Das soll nun erheblich ausgebaut werden. Die USA fordern von den europäischen NATO-Partnern, 21.000 Soldaten für eine NATO-Eingreiftruppe (NATO Response Force) zusammenzustellen, die in „fünf bis 30 Tagen“ in Kampfeinsätzen in beliebiger feindlicher Umgebung einen Monat lang autark kämpfen können. Im November sollen auf dem NATO-Gipfeltreffen in Prag die entsprechenden Beschlüsse gefaßt werden.
Es bleibt abzuwarten, wie die EU mit dieser Forderung umgeht, plant sie doch eine eigene, 60.000 Soldaten starke schnelle Eingreiftruppe. Da die EU-Kapazitäten für beide Eingreiftruppen nicht ausreichen dürften, scheint sich auf diesem militärischen Sektor die Auseinandersetzung zwischen den USA und der deutsch-französisch dominierten EU um die militärische Eigenständigkeit Europas von den USA fortzusetzen. Auf jeden Fall bleibt heute bereits festzuhalten: Rheindahlen könnte zu einem Drehkreuz weltweiter Kampfeinsätze der NATO zu werden, von Rheindahlen geht für alle, von der NATO als Feind oder Schurke deklarierten Staaten höchste Bedrohung aus.

AFNORTH in Brunssum

Brunssum, 32km von hier aus entfernt, nördlich von Heerlen in den NL
Das Oberste Alliierte Streitkräftekommando der NATO in Europa (SHAPE) gliedert sich in Regionalkommandanturen für Nord- und Südeuropa. Die Zentrale für Nordeuropa bis zu den Alpen heißt AFNORTH und sitzt hier ganz in der Nähe, in Brunssum (NL). AFNORTH untergeordnet ist u.a. die Frühwarnzentrale Geilenkirchen mit ihren AWACS und die schnelle NATO-Eingreiftruppe in Rheindahlen. Die niederländische Friedensbewegung hat sich um die Aufklärung der Bedeutung dieser Befehlszentrale für die Beteiligung von europäischen NATO-Einheiten in Kriegen verdient gemacht.
Nun darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß die USA soeben dabei sind, die NATO und mithin das Mitspracherecht der europäischen Partner zu demontieren. Im Vorgriff auf die neue strategische Verteidigungsplanung hat Washington eine integrierte Kommandozentrale für – auch präventive – strategische Angriffe, strategische Vergeltungsangriffe und strategische Verteidigung implementiert. Es gibt kein Fleckchen Erde mehr, für das nicht eines der regionalen Kommandos der USA zuständig ist, die USA haben erstmals die ganze Welt eigenen Regionalkommandos zugeordnet. In diesem Zusammenhang haben sie bereits den Oberbefehlshaber des NATO-Oberkommandos Atlantik (SACLANT) ab Oktober d.J. von seinen NATO-Aufgaben abgezogen und innerhalb der eigenen, NATO-unabhängigen Befehlsstrukturen eingebunden. Das war ein schwerer Schlag für AFNORTH in Brunssum. Der Prager NATO-Gipfel soll die Kompatibilität der EU- mit den NATO-Strukturen feststellen, vom Ergebnis hängt die künftige Bedeutung der AFNORTH ab.

Nato-Führungsbunker in Linnich-Glimbach

Linnich-Glimbach, 35 km nördlich von Aachen
1983 wurde ich Glimbach mit dem Bau eines NATO-Bunkers begonnen. Mehrfach demonstrierte die Friedensbewegung gegen das Vorhaben, dort einen Führungsbunker für den Ernstfall eines Krieges gegen die sozialistischen Staaten zu errichten. 1992 wurde der Bunker fertiggestellt, hatte seine ursprüngliche Aufgabe aber bereits verloren. Bis 1998 stand er leer, dann wurde er „wiederentdeckt“ und als Notfallbunker für die NATO-Führungsstäbe in Brunssum hergerichtet. Seitdem sind die 14.000m² komplett eingerichtet, inclusive elektronischer Infrastruktur. Der Bunker Moolberg, Codename „Castle Gate“ (Burgtor), hält eine gesamte militärische Infrastruktur zur Führung eines auch atomaren Krieges der NATO vor.

Technische Schulen in Aachen

Die Ziele der Umgestaltung der Bundeswehr beschrieb der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Kujat, so: „Die Streitkräfte müssen zu einem schnell verfügbaren, flexiblen und hochwirksamen Instrument der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik weiterentwickelt werden. ... Es gilt, Fähigkeiten zu entwickeln, die das komplette Einsatzspektrum von kleineren Krisenoperationen bis hin zu Konflikten hoher Intensität abdecken. Diese Vorgabe des Militärs griff Rotgrün in der Koalitionsvereinbarung auf und bestätigte den Status einer „Bundeswehr im Einsatz“.
Das ist der Kontetxt, in dem die Bedeutung der vier Aachener Kasernen Lützow, Gallwitz, Körner und die Donnerbergkaserne in Eschweiler zu ermessen ist. Diese Kasernen bilden zusammen die „Technische Schule und Fachschule des Heeres für Technik (TSH/FSHT)“. Die TSH/FSHT ist jedoch weitaus mehr als eine reine „technische Schule“: Zu ihren Aufgaben gehört:
Für die „neue“ Bundeswehr muß sie die Führungs- und Einsatzgrundsätze mit erarbeiten, d.h., in Aachen werden die Kampf- und Einsatzpläne für die „neue“, also die in aller Welt kämpfende Bundeswehr mit erarbeitet.

In der TSH/FSHT Aachen findet die Ausbildung an den neuen Waffensystemen statt. Es ist davon auszugehen, daß in Aachen, im Rahmen von Waffentests und der Ausbildungsgänge, wesentlich die Anforderungen an die neuen Waffen(-systeme) mit formuliert werden. Damit ist Aachen ein zentraler Drehplatz für die Konkretisierung der Pläne des deutschen Militär-Industrie-Komplexes. Eine Verflechtung von Militär und Wirtschaft ist folglich auf verschiedene Weise hergestellt, die TSH/FSHT ist ein Vorreiter der Verflechtung von Industrie und Bundeswehr.

Eine Gruppe an den Aachener Kasernen konzentriert sich auf eine Instandsetzungsausbildung an modernem, komplexem Wehrmaterial mit hohem elektronischem Anteil. Das besondere an dieser Ausbildung an modernstem Kriegsgerät ist die multinationale Zusammensetzung dieser Lehrgruppe. Der Grund: Rüstungsexporte können nie einfach „nur“ die Waffen umfassen. Jeder größere Waffenverkauf ist verbunden mit Pflege- bzw. Wartungsverträgen und mit Maßnahmen zur Ausbildung an diesen Systemen: Diese Ausbildung findet in Aachen statt. Damit steht Aachen im Zentrum deutschen Rüstungsexportes. Die TSH/FSHT ist dort auf der Welt zu Hause, wo deutscher Einfluß auch in militärischen Zusammenhängen gesichert werden soll.
Die TSH/FSHT nimmt also im Zusammenhang mit der Herstellung weltweiter Interventionsfähigkeit der Bundeswehr eine Sonderstellung ein. Sie ist für die Kräfte des Friedens eine besondere Herausforderung.

Deshalb: Kasernen schliessen – Aachen zuerst!

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