Gegen den Krieg in Nahost,
Gegen das sinnlose und barbarische Abschlachten hunderter Zivilisten im Libanon und dutzender Zivilisten in Israel

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe KriegsgegnerInnen,

ich begrüße Euch zur dritten Kundgebung gegen den Krieg in Nahost, gegen das sinnlose und barbarische Abschlachten hunderter Zivilisten im Libanon und dutzender Zivilisten in Israel.

Ich grüße die 10.000 Menschen, die am Samstagabend in Tel Aviv auf die Straße gingen. Ihre Parolen waren "Jews and Arabs / refuse to be enemies!" - "We shall not die nor kill / in the service of the USA!" - "Children want to live / in Beirut and Haifa!" - "Peretz, Peretz resign / peace is more important!" - "A million refugees / that's a war crime!" - "Olmert, Peretz and Ramon / Get out of Lebanon!"

Im grüße die mehr als 100.000 Menschen grüßen, die ebenfalls am Samstag durch London zogen. Ich möchte Euch ein paar Zeilen vorlesen, von Daniel Seiderer, den viele von Euch kennen und der jetzt in England lebt: "Die Demo war sehr, sehr beeindruckend. Wir sind vom Hyde Park (Speakers’ Corner) über Picadilly Circus zum Parliament Square gezogen. Als ich am Parliament Square ankam (zwei Stunden nachdem ich den Hyde Park verlassen hatte) kam gerade eine Durchsage, daß sich immer noch Leute am Hyde Park formieren würden. Und nachdem ich bereits zwei Stunden Abschlußkundgebung am Parliament Square mitgemacht hatte, hieß es, daß der Demozug immer noch über Picadilly Circus zieht. Es waren also unglaublich viele Leute bei der Demo. Schätzungsweise 120.000 bis 130.000, diese Schätzung habe ich zumindest gehört. Und das bei einer Vorbereitungszeit von nur einer Woche, das war wirklich unglaublich."

Ich grüße die 3.000, die ebenfalls am Samstag in New York zum Gebäude von General Electric zogen, um gegen die Produktion der F-16-Bomber zu demonstrieren, von denen mittlerweile mehr als 4.500 Stück produziert wurden und die im Krieg gegen den Libanon eingesetzt werden.

Mit all diesen Menschen, mit Millionen weltweit rufe ich: "Hört sofort auf mit diesem sinnlosen und verbrecherischen Krieg. Stop bombing, start talking!"

Liebe KriegsgegnerInnen, heute ist der 27. Tag des am 12. Juli begonnenen Krieges. Damit ist der gegenwärtige Krieg der längste, den Israel je geführt hat. In der Vergangenheit hat Israel seine arabischen Gegner binnen weniger Tage erfolgreich nieder geworfen. Die Hisbollah ist jedoch keine reguläre Armee sondern eine Guerillatruppe mit ca 30.000 Kämpfern, hinter denen ein Großteil der libanesischen Bevölkerung, ob nun shiitisch oder nicht, steht. Ein solcher Krieg wird keine Sieger haben, er wird nur den Hass und den Fanatismus in der Region weiter schüren. Mit jeder Bombe auf libanesische Dörfer werden Dutzende neue Anhänger der Hisbollah geschaffen. Auch deshalb sagen wir: Hört endlich auf mit dem Bomben!

Heute war mal wieder ein rabenschwarzer Tag: Bei einem israelischen Angriff auf den libanesischen Grenzort Hula sind nach Angaben des libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora mehr als 40 Menschen getötet worden.

Wir kritisieren ebenso die Raketenangriffe auf israelische Wohngebiete. Unsere Trauer gilt gleichermaßen den getöteten israelischen Frauen, Männern und Kindern, wie den libanesischen. Aber wir sehen auch die Proportionen: Seit Beginn des Krieges sind auf libanesischer Seite mehr als 1.000 Menschen getötet worden, davon mehr als 60% Zivilisten, viele Tausend sind verletzt und mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht. Auf israelische Seite kamen gut 100 Menschen ums Leben, davon mehr als 60% Soldaten. Jeder Tote ist einer zuviel. Aber ist einfach nicht wahr, dass die israelische Armee einen sauberen Krieg führt, während die Hisbollah fanatisch so viele Zivilisten sucht umzubringen wie sie kann. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Liebe Freundinnen und Freunde, ein altes Wort sagt, im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit. Und auch in diesem Krieg ist das der Fall. Die offizielle israelische Kriegsbegründung lautet, man müsse dem permanenten Beschuss durch Katjuscha-Raketen der Hisbollah entgegentreten und die zwei israelischen Soldaten befreien, die gefangen genommen wurden. Tatsache ist, dass es vor dem 12. Juli keinen Beschuss israelischer Städte gab und für die beiden israelischen Soldaten interessiert sich ohnehin keiner mehr. Was vor dem 12. Juli an der Grenze zwischen Libanon und Israel stattfand, ist das gleiche wie seit sechs Jahren, seitdem die israelische Armee aus dem Südlibanon abgezogen ist: Es gab kleinere Scharmützel, insbesondere um die territorial ungeklärten Schebaa-Farmen. Der einzige ernsthaftere Zwischenfall ereignete sich am 21. November 2005. Der israelische Historiker Prof Moshe Zuckermann, den wir vor einigen Jahren zu Besuch in Aachen hatten, schreibt dazu: "Das horrend Disproportionale an der "angemessenen" israelischen Reaktion (samt ihrer Auswirkungen aufs eigene Land) sticht beklemmend ins Auge. Wohl wahr, die Provokationen gingen von der Hisbollah aus, aber den ausufernden Krieg hat Israel bewusst entfacht. Die "Befreiung der Soldaten" erwies sich denn schnell genug als kollektiv fetischisierter (von kaum jemandem freilich geglaubter) Vorwand für die rabiate Militäraktion."

 Für mich stellt sich hier schon die Frage, ob dieser Krieg mit den verschiedenen Kriegen der vergangenen Jahrzehnte in Nahost vergleichbar ist oder ob er der Vorbote eines noch viel größeren Krieges ist, gegen Syrien und letztlich den Iran. "Ein wirksames Herangehen, und eines, das Amerika zusagen würde, wäre es, wenn Israel die strategische Initiative an der Nordgrenze ergreifen und die Hisbollah, Syrien und den Iran angreifen würde, die aggressiven Hauptkräfte im Libanon“ konnte man bereits 1996 in einem us-amerikanischen Strategiepapier für den damaligen Präsidenten Netanyahu lesen. Wenn Condoleeza Rice vor einigen Tagen sagt, sie wolle einen neuen Nahen Osten, dann heißt das übersetzt: Krieg gegen Libanon, Krieg gegen Syrien, Krieg gegen Iran. Wir wünschen uns auch einen neuen Nahen Osten, aber der wäre sicherlich völlig anders, als der der den USA vorschwebt, mit vollem sozialen und politischen Selbstbestimmungsrecht aller Menschen, egal ob Moslems, juden, Christen oder Atheisten. Mit Teilhabe aller Menschen an den natürlichen Ressourcen statt des imperialen Kampfes um das knapper werdende Öl.

Liebe Freundinnen und Freunde, wer die letzten Tage das diplomatische Gezerre um eine Resolution zum Libanon-Krieg mitverfolgt hat, dem oder der musste schlecht werden: Tagelang blockierte die USA die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon. Der jetzt herausgekommene Kompromiss wurde sogleich auch als Freibrief zur Fortsetzung der Bombardements verstanden. Beschämend ist, das die deutsche Bundesregierung sich hier an der Seite der USA positionierte. Wir fordern Frau Merkel hier eindringlich aus: Treten sie für einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand ein!

Lasst mich zum Abschluss ein paar Worte zu der Antisemitismus-Diskussion sagen: Das Anti-Kriegs-Bündnis beteiligt sich seit vielen Jahren an allen Aktivitäten gegen Rassismus und Antisemitismus. Wenn Nazis hier in Aachen versucht haben aufzumarschieren, standen wir in der ersten Reihe im Kampf dagegen. Und natürlich gibt es auch gegenwärtig Antisemiten, die Israel nicht wegen dieser oder jener Handlungen kritisieren, sondern die Israel deshalb kritisieren, weil es ein jüdischer Staat ist. Dazu sage ich ganz klar: Mit diesen Leuten wollen wir nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.  

Als Verpflichtung aus dem Holocaust leite ich als Mensch ab, immer und überall Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen. Dass die gegenwärtige Politik der Olmert-Regierung zu einem sichereren Ort für Juden führt, das allerdings bezweifle ich ganz erheblich. Hört endlich auf, Juden als etwas überhöhtes, fremdes zu betrachten. Es gibt unter Jüdinnen und Juden genauso Kriegstreiber wie Kriegsgner, Arme wie Reiche, Linke, Rechte, Zyniker, Humanisten, Kommunisten usw. wie sonstwo auf der Welt auch. Die Olmert-Regierung kann nicht für alle Jüdinnen und Juden in der Welt sprechen; sie betreibt eine bestimmte Politik und ist dafür zu kritisieren. Mit Antisemitismus hat das nichts zu tun. Merkwürdig wird es nur dann, wenn den Juden mythische irrationale gesonderte Eigenschaften angedichtet werden, in der ein oder anderen Weise.

Andrej Hunko, für das Anti-Kriegsbündnis Aachen

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http://www.akb-ac -  08.08.2006